Samstag, 16. Mai 2015

Therapeutische Vorurteile und Hintertürchen


Therapeutische Vorurteile entstehen aus typischen klinischen Erfahrungen. Der Therapeut oder ein Betroffener wendet X (oft teuer und aufwendig) an und erfährt deutliche Besserung. Daraus wird geschlossen, dass wenn X bei einem wirkt, es auch bei allen wirken muss. Nun wird Geld, Zeit, Energie und Überzeungskraft investiert, um X jedem zugänglich zu machen. Wie im Talkshow-Effekt beharrt der Verstand nun auf der Überzeugung, das X wirken muss. Jetzt passieren die typischen Verdrängungsmechanismen. Wenn X nicht hilft, hat der Patient entweder eine andere Krankheit oder er hat es nicht oft und lange genug angewendet. Dass es bei ihm evtl. schadet und nicht wirkt, wird ausgeblendet. Außerdem wird vergessen, dass wenn 100% einer Menge zum Arzt gehen es statistisch gesehen >5% immer hinterher besser gehen wird, egal was passiert ist. Die restlichen 95% werden gerne ausgeblendet, sie melden sich ja auch nicht mehr (weil es geholfen hat) oder sie sind eben nicht konsequent, weshalb es ihnen besser geht.

Hintertürchen findet man immer dann, wenn bei Therapien plötzlich sehr aufwendige, unangenehme oder gar gefährliche Sachen vom Patienten gefordert werden. Die Argumentation ist beispielsweise wie folgt: Ich habe hier eine sehr lange und teure Therapie. Sie funktioniert garantiert, aber der Patient muss mitspielen! Sonst liegt es nicht an der Therapie! Dann wird eine unangenehme Sache gefordert (z.B. fragwürdige Zahnherde "sanieren", CCSVI-Operationen, gefährliche Medikamente oder Wirkstoffe). Argumentiert der Patient dagegen (z.B. weil von drei Zahnärzten zwei keine Herde sehen können), wir argumentiert, dass nur der besondere Spezialist die Herde befunden kann und deshalb muss man seiner Empfehlung folgen, egal wie krank man ist und egal wie viel es kostet. Tut man es nicht, dann ist ja auch klar, warum man krank bleibt. An der möglicherweise falschen Diagnose oder Behandlung wird nicht gezweifelt, (siehe therapeutische Vorurteile), denn es hat ja schließlich Leute gegeben, denen es hinterher besser ging.

Tatsächlich bemühen sich viel zu wenige Therapeuten um ein echtes Verständnis der Krankheitsmechanismen. Statt individuelle Faktoren zu suchen und danach zu behandeln, wird nach Universalmitteln gesucht: Entweder aus Profitgier oder aus Bequemlichkeit. Heilen kann man so nicht.

Witz zum Thema: Arzt ruft nachts den Klempner, weil sein Haus überschwemmt ist. Dieser sagt, er kommt um die Uhrzeit nicht, worauf der Arzt droht ihn Nachts im Nofall auch alleine zu lassen. Der Klempner kommt vorbei, wirft eine Gummidichtung in den Hausflur und sagt "Wenn es morgen nicht besser ist, rufen Sie wieder an!"

Mittwoch, 8. April 2015

Psychologische Aspekte schwieriger Erkrankungen

Wer von schweren chronischen Erkrankungen betroffen ist, der wird zwangsläufig immer wieder mit der Rolle der Psyche auf die Erkrankung konfrontiert. Wenn Behandlungen nicht wirksam sind, ist man gezwungen alles zu hinterfragen, was einen möglichen Einfluss hat. Besonders psychologische Faktoren sind dabei schwierig zu erfassen und zu bewerten.
Einflussfaktoren
Grundsätzlich gilt: Jede Erkrankung und jedes Schicksal kann maßgeblich durch die Einstellung beeinflusst werden. Wer optimistisch, überzeugt und entschlossen handelt, der ist im Vorteil gegenüber Resignation oder Depression. Auch kann sich die richtige Einstellung positiv auf das Immunsystem auswirken und die positive Grundeinstellung wirkt natürlich auch auf das Umfeld und gibt Lebenspartnern und Freunden ein besseres Gefühl, was sich wiederum förderlich auf einen selbst auswirken kann. Daher ist es sinnvoll eine gute Grundeinstellung zu erhalten.
Es gibt hierzu jedoch einige Hürden, die zu überwinden sind:
1. Hobbypsychologen
Hobbypsychologen sind zunächst einmal alle diejenigen, die keine professionelle Erfahrung mit der Behandlung psychischer Einflussfaktoren auf chronische Erkrankungen gesammelt haben. Dazu zählen leider auch die meisten Ärzte und Heilpraktiker, die leider oft ihre therapeutische Hilflosigkeit dahinter verstecken, indem sie versuchen dem Patienten irgendwelche psychischen Störungen anzudichten. Besonders bei unerklärlichen und schwer messtechnisch zu erfassenden Symptomen, wird gerne ein psychologischer Hintergrund gesucht. Dann sind die Fatigue (schwer messbar) oder die Schmerzen eben ein psychisches Problem. Oder die gesamte Erkrankungen (bei MS beliebt) wird auf (natürlich verdrängte und deshalb dem Patienten nicht bewusste) Schuldgefühle oder einen dunklen Schatten auf der Seele geschoben, denn die Krankheit "sucht sich immer den Richtigen und hat eine Botschaft für die Seele!" Solche kunstvoll vagen Formulierungen schaden dem Kranken, denn er kann überhaupt nichts damit anfangen und fühlt sich auch noch schuld an seiner Misere. Der Behandler hingegen steht als "Wissender" vor dem Kranken und verbirgt hinter unsachgemäßen Psycho-Diagnosen sein eigenes Unwissen und schützt seine (vermeintliche ) Autorität. Vorsicht vor solchen Scharlatanen! - Hätte man eine einfache und weniger komplexe Erkrankung (z.B. Erkältung, Ebola, Pest), dann käme keiner auf die Idee irgendwelche Schuldgefühle zu suchen, weil der Weg der Infektion und die Diagnose klar sind. Statt aber eigenes Unwissen zuzugeben, wird dann lieber die Ursache in der (undurchschaubaren) Psyche des Betroffenen gesucht. Das ist keine Hilfe, sondern ein Grund das Gespräch an der Stelle entschieden abzubrechen.
2. Krankheitsfaktoren
Sobald eine Infektion aktiver wird oder die allgemeine Krankheitsaktivität steigt, geht es einem zwangsläufig auch mental schlechter. Das kann man bei jeder Erkältung oder bei einfachem Fieber beobachten. Die Kranken sind dann einfach niedergeschlagen und das ist natürlich auch beim MS- oder Borrelioseschub der Fall. Dann kann man nicht jubilieren und "Tschaka!" schreien, es geht einem einfach dreckig. Selbstverständlich ist in diesen Phasen die Gefahr durch Hobbypsychologen diagnostiziert zu werden deutlich erhöht. Also am besten einfach durchhalten und abwarten, bis sich das Ganze wieder beruhigt.
Fazit
Suchen Sie die Schuld nicht ständig bei sich. Das schadet mehr als es nützt. Wenn Sie es wirklich wissen wollen, dann führen Sie eine Therapie bei einem echten Profi durch (Erfahrung mit chronisch Kranken) und hören Sie nicht auf die anderen. Wenn die Therapie durch ist, haken Sie das Thema ab und suchen Sie nicht nach eigenen Defiziten. Die Einstellung "Du hast Dir die Krankheit selbst in Dein Leben geholt!" führt schnell in eine Depression. Man ist dann nicht nur krank, sondern auch noch selbst Schuld und ein "Selbsthilfeversager". Sehen Sie zu, dass es Ihnen möglichst gut geht - mehr brauchen Sie nicht zu tun.